Die Mauer, ein Buch, welches brisante Themen wie den Brexit, den Klimawandel und die Asylpolitik aufgreift. Die Geschichte hat jedoch nur wenig reale Parallelen zum aktuell politischen Weltgeschehen. Es ist vielmehr eine düstere Dystonie, deren Inhalt von einem zukünftigen, autarken Großbritannien handelt, einem Land, welches keine Fremdlinge in seiner Mitte duldet.
Warum dies geschieht, ist ein Thema, dass kaum zur Sprache
kommt. Fakt ist, eine Klimaveränderung mit Folgen löst den sogenannten „Wandel“
aus, woraufhin eine gigantische Betonmauer rund um die Insel herum gebaut und mit
Leib und Leben der Bewacher gegen das Eindringen von „Anderen“ gesichert werden
muss.
Fortan absolviert jeder junge Erwachsene, egal ob Mann
oder Frau, einen zweijährigen Wehrdienst auf dem riesigen Betonungetüm. Die
Aufgabe ist simpel: Kein Fremder darf über die Mauer ins Landesinnere gelangen.
Ein Versagen hat schwerwiegende Folgen. Für jeden, der die Verteidigungslinie
bezwingt, wird ein Wehrdienstleistender oder dessen Vorgesetzter auf dem Meer
ausgesetzt und verliert seinen Aufenthaltsstatus in England für alle Zeiten.
Wir Leser begleiten Joseph Kavanagh, der seinen Dienst
auf der Mauer antritt. Detailgetreu schildert John Lanchester das Leben eines
Verteidiger, eines Beschützers Großbritanniens. Zwei Jahre voller Kälte, dem immer gleichen
Blick hinaus aufs Meer, der zermürbenden Langeweile einer zwölf Stunden Schicht
und der allgegenwärtigen Angst vor einem feindlichen Angriff. Die
euphorisierende Abwechslung durch freie Tage oder durch eine Trainingseinheit,
ja selbst durch einen banalen Energieriegel, der eine Bewachungsperiode für
wenige Augenblicke unterbricht. Ich
konnte mich kpl. in Josephs Lage hineinversetzen und seine Stimmungen, Gefühle
und Reaktionen nachvollziehen. Für mich ein absolutes Lesehighlight. Dem Autor
ist es gelungen, einen stupiden Alltagsablauf
spannend und lesenswert zu schildern. Ich habe mich zu keinem Zeitpunkt
gelangweilt. Ich bin mir jedoch auch sicher, dass dies nicht bei allen klappen wird. Und keine Sorge, Josephs Einheit trifft irgendwann auf „Andere“.
Doch wie wird diese Begegnung für Kavanagh und seine Freundin sowie Kollegin
Hifa ausgehen? Werden sie zu gefeierten Helden oder droht ihnen eine hoffnungslose
Zukunft auf dem verhassten Ozean?
Nun am Ende angelangt, lege ich das Buch zufrieden zurück
ins Buchregal. Ich habe den Roman sehr gerne gelegen. Vielleicht waren manche
Erzählstränge einzelner Personen noch nicht ganz „fertig“ durchdacht. Ich
bleibe mit einzelnen Fragen nach dem „Warum“ und „wie soll es zukünftig
weitergehen“ zurück. Hatten sie keinen Plan? Was war die Motivation? Werden
ihre Handlungen bzw. die Konsequenzen wirklich nur dem Zufall überlassen?
Obwohl ich an manchen Stellen mit dem Autor haderte, kann
ich trotzdem mit dem Verlauf der Geschichte leben. Zumal brisante Themen wie unser Klima, moderne Sklaverei, unterschiedliche Gesellschaftsklassen und die Brutalität einer
Verteidigungsmauer wieder neu zum Nachdenken anregten.
Ich gebe eine Leseempfehlung und möchte das Buch mit 5
Sternen bewerten.
Die Daten zum Buch
- Gebundene Ausgabe 348 Seiten
- Verlag: Klett - Cotta
- ISBN: 978-3608963915
- 24 Euro in allen gängigen Buch- und Onlinebuchhandlungen
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