Samiras
früheste Kindheitserinnerungen beginnen mit ihrem Aufenthalt in einem
ukrainischen Kinderheim, wo ein strenges, gewalt- und regelbetontes Regime
herrscht. Sie verliert ihre beste Freundin Marina, die von einem deutschen
Ehepaar adoptiert wurde. Als sie wenig später einen Brief bekommt, werden
Marinas Zeilen zum Mantra von Samira: „…
Ich wünschte, du könntest bei mir sein. Ich denke, meine Eltern wollen dich
bald holen. Sie haben mir sogar ein Bett mit Auszug gekauft, falls eine
Freundin bei mir schlafen will….“ Die Aussicht auf ein Leben mit Marina wird
für die Siebenjährige zum Lebensinhalt und gibt ihr viele Jahre lang die Kraft
zum Durchhalten.
Sie
flieht aus dem Heim und versucht am Bahnhof ein Zugticket nach Deutschland zu
kaufen. Dort gabelt Rocky sie auf und
bringt sie in ein heruntergekommenes Haus, in welchem noch viele andere Kinder leben.
Kinder, die niemand vermisst. Die folgenden Jahre sind geprägt von Betteln,
Klauen, Straßenmusik, Hunger, Existenzangst, Schlägen und ersten sexuellen
Erniedrigungen. Abends sammelt Rocky alle Einnahmen der Kinder ein und
finanziert sich so sein mieses Zuhälterleben.
Als
Samira, mittlerweile 12 Jahre alt, Dimochka kennenlernt, dämmert ihr schon
längst, dass Rocky sie nie nach Deutschland ziehen lässt. Sie verliebt sich
Hals über Kopf in den jungen Mann, der sie von Rocky weglotst und Samira zur
Frau macht. Kurze Zeit später wird ein erster Teil ihres Traumes war. Dima
bringt sie mit gefälschtem Papieren nach Berlin…
Wird
sie in dieser Großstadt glücklich werden? Kann sie dort den Schmutz und die
Verletzungen ihrer Kindheit loswerden? Gibt es das erhoffte Wiedersehen mit
Marina? Oder zeigt Deutschland dem jungen Mädchen, dass es auch Schattenseiten
zu bieten hat? Wie wird Samiras Reise enden?
Ich
habe mittlerweile einige Bücher über Kinder gelesen, deren früheste Lebensjahre
blanker Horror waren. Auch Kukolka macht auf erschreckende Weise deutlich,
wieviel eine Kinderseele ertragen und trotzdem ihre Träume bewahren kann. Immer
wieder tauchen besondere Momente kindlicher Freude auf, die den Roman so
lesenswert machen. Ich konnte das Buch kaum aus den Händen legen. Die Story wird aus
der Sicht der jungen Samira geschildert, dementsprechend kindlich naiv ist die
Ausdrucksweise. Trotzdem bekommt man detailliert das Elend, die Gewalt und die
Abartigkeiten mit, mit denen das junge Mädchen konfrontiert wurde. Der Leser
sollte damit umgehen können. Es ist keine leichte Kost und die Worte klingen
nach.
Kleinigkeiten,
die mir noch wichtig wurden:
Erstens:
Rocky strotzt vor Klischees. Er symbolisiert den Zuhälter schlechthin, mit
allem Drum und Dran. Das hat mich zu keiner Zeit gestört. Im Gegenteil, Lana
Lux verpasste ihm schwache Momente und Emotionen und ich nahm ihm die Rolle im
Buch ohne Schwierigkeiten ab.
Zweitens:
Samiras Verhalten und ihre Ausdrucksweise würde ich eher einem älteren Mädchen
zuordnen. Das zog sich bis zu letzten Seite hin. Für mich persönlich wirkte
Samira durchweg 3 Jahre älter als geschildert.
Ein
Drittes: Der dritte und letzte Abschnitt wirkte auf mich etwas gehetzt und zu
schnell abgehandelt. Ihre Zeit in Deutschland verblasst zum Rest der
Geschichte. Das Ende ist offen, aber stimmig.
Lana
Lux baut gegen Ende der Geschichte eine zweite Storyline ein, Olga kreuzt
Samiras Weg. Der Leser darf für kurze Momente auf deren Vergangenheit blicken.
Diese kleinen Rückblenden von Olga machen meiner Meinung nach nur Sinn, wenn
Kukolka fortgesetzt würde. Ansonsten sind sie total überflüssig.
Ich
persönlich wäre an einer Fortsetzung interessiert. Für mich ist Samiras und Olgas
Geschichte noch nicht auserzählt. Ich würde mich über ein Wiedersehen freuen.
Das
Buch bekommt ganz klar die vollen Bewertungssterne und ich gebe eine
Leseempfehlung.
Kukolka
vermittelt einen schrecklichen, aber auch faszinierenden Blick auf Kinder am
Rande der Gesellschaft, deren Schicksal kaum zu verkraften ist.
Die Daten zum Buch:
- 375 Seiten - Hardcover
- Verlag: Aufbau - Verlag
- ISBN: 978-3-351-03693-5
- 22 Euro in allen gängigen Onlinebuchhandlungen
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